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Demokratiebewegung in Burma/Myanmar: Gedämpfte Hoffnung nach Freilassung

 Aung San Suu Kyi (Archivbild). Dieses Foto ist gemeinfrei. Quelle: Wikimedia Commons

25. November 2010
von Jost Pachaly und Rainer Einzenberger.
Die Freilassung von Aung San Suu Kyi, am 13. November 2010, nur wenige Tage nach den Wahlen, ist zweifellos ein Hoffnungsschimmer für viele Menschen innerhalb und außerhalb Myanmars/Burmas. Sicher ist es kein Zufall, dass die Wahlen vor ihrem Entlassungstermin, der schon seit langem feststand, abgehalten wurden. Das Regime war sich der großen Ablenkung bewusst, die ihre Freilassung im Land und international auslösen würde, und nutzt die öffentliche Aufmerksamkeit nun, um von den manipulierten Wahlen abzulenken. Auch wenn Aung San Suu Kyi die Wahlen kritisiert und die Freilassung der politischen Gefangenen fordert, wird der Anschein erweckt, es hätte sich etwas verändert. In den Hintergrund geraten sind auch die Anstrengungen all der demokratischen Parteien, die sich unter schwierigsten Bedingungen der Wahl gestellt und mit demokratischen Mitteln gekämpft haben. Auch wenn die Wahlen durch massiven Betrug gekennzeichnet waren und diese Parteien dadurch nur wenige Sitze gewinnen konnten, leisteten sie durch ihre Formierung und den Wahlkampf einen wichtigen Beitrag zu einer demokratischen Bewußtseinsbildung.

Nach wie vor hat Aung San Suu Kyi eine enorme Symobolkraft als Oppositionsführerin und wird von vielen ihrer Anhänger wie eine Heilige verehrt. Gerade im Ausland wird die Friedensnobelpreisträgerin seit über 20 Jahren als die Vertreterin der demokratischen Oppositionsbewegung im Land gesehen. Ihre Positionen werden daher auch in Zukunft die Gestaltung der „Burma-Politik“ der internationalen Gemeinschaft - und vor allem der USA und EU -sehr stark beeinflussen. Umso erfreulicher sind ihre Stellungnahmen unmittelbar nach ihrer Freilassung, in denen sie bekanntgibt, den Dialog mit den Generälen zu suchen, mit Vertretern aller demokratischer Parteien zusammenarbeiten zu wollen, und auch die Sanktionspolitik des Westens zu überdenken. Ebenso hat sie ihre Meinung zum Tourismusboykott geändert und fordert Individualreisende auf, sich selbst ein Bild von der Lage in Myanmar/Burma zu machen.

Inwieweit sie aber den hohen Erwartungen, das Land zur Demokratie zu führen, gerecht werden kann, bleibt abzuwarten. Schon ihre Freilassung geschah vor dem Hintergrund der gefestigten Macht des Regimes, das sich in den Tagen zuvor durch stark manipulierte Wahlen ca. 80% der Sitze im Ober- und Unterhaus sichern konnte. Bereits in den ersten Tagen ihrer neu gewonnenen Freiheit zeigte das Regime der Oppositionsführerin ihre Grenzen auf. Unmittelbar nach ihrem Besuch in einer AIDS-Klinik in Yangon wurde den Patienten von den Behörden mittgeteilt, dass sie die Klinik in den nächsten Tagen verlassen müssten. Gleichzeitig gewährte das Regime ihrem im Ausland lebenden Sohn Kim Aris die Einreise nach Myanmar/Burma und ermöglichte ihr nach langen Jahren der Isolation ein Wiedersehen.

Die Möglichkeiten von Aung San Suu Kyi, sich aktiv in die Gestaltung der Politik einzumischen, werden duch eine Reihe von Faktoren beschränkt. Ihre Partei, die National League for Democracy (NLD), ist offiziell aufgelöst und ein erster Versuch die Auflösung gerichtlich anzufechten scheint gescheitert zu sein. Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verdeutlicht, dass das Regime sehr klar die Rahmenbedingungen für das politische Betätigungsfeld von Aung San Suu Kyi und ihre Partei setzt.

Da die NLD die Wahlen boykottiert hat, ist sie in keinem der Parlamente vertreten, was bedeutet, dass sie ihre Rolle nur außerhalb des gerade neu geschaffenen politischen Systems wahrnehmen kann. Welche Spielräume es innerhalb und außerhalb der Parlamente in Zukunft geben wird, ist so kurz nach den Wahlen, noch nicht abzusehen. Ebenso unklar ist, ob die Generäle auf das Dialogangebot Aung San Suu Kyis eingehen werden und ihr damit die Möglichkeit einräumen über die künftige Gestaltung des Landes zu reden. Sie selbst versucht dem Militär die Angst zu nehmen und betont auch in ihren Interviews, das Militär in eine „nationale Versöhnung“ einbinden zu wollen.

Eine herausfordernde Aufgabe wird es sein, die Oppositionskräfte zu vereinen. Die Vorraussetzungen dafür sind – trotz aller Strahlkraft ihrer Person – sehr kompliziert. Durch die Entscheidung Aung San Suu Kyis, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen, hat sich ihre Partei, die NLD, gespalten. Die Splitterpartei National Democratic Front (NDF) hat sich an den Wahlen beteiligt, wurde aber nicht zuletzt von der NLD selbst im Wahlkampf behindert. Bevor die Formierung eines größeren Oppositionsbündnis angegangen werden kann, muss sie zunächst versuchen, diese beiden Kräfte wieder zusammenzubringen. Das wird keine leichte Aufgabe, da sich die NLD durch den Wahlbetrug in ihrer Meinung bestätigt sieht und die NDF trotz grosser Ernüchterung ihrerseits an ihrem parlamentarischen Weg festhält. Ohne Annäherung von beiden Seiten wird der entstandene Graben nicht zu überwinden sein.

Eine wichtige Rolle bei den Wahlen haben auch einige ethnische Parteien gespielt. Ihnen ist es gelungen, in den Regionalparlamenten der ethnischen Gebiete (mit Ausnahme von „Kayah State“) die absolute Mehrheit der Regierungspartei Union Solidarity and Development Party (USDP) zu verhindern. Sie haben damit zumindest von der Sitzverteilung her die Möglichkeit, sich an der Politikgestaltung in ihren Regionen zu beteiligen und auch angekündigt diese Chance wahrnehmen zu wollen. Im vollen Bewusstsein, dass die ethnische Frage eine Schlüsselfrage ist, ohne die eine Lösung des politischen Konflikts unmöglich ist, hat Aung San Suu Kyi zu einer neuen Panglong-Konferenz aufgerufen, die der neuen Situation im 21. Jahrhundert gerecht werden soll. Die erste Panglong- Konferenz im Jahr 1948 ermöglichte ein Abkommen zwischen den Vertretern der ethnischen Minderheiten und General Aung San (Suu Kyis Vater) um die Rechte der ethnischen Minderheiten in einem unabhängigen Burma zu sichern. Aus derzeitiger Sicht und angesichts der anhaltenden und drohenden neuen Konflikte in den Grenzgebieten im Osten und Norden des Landes scheint die Durchführung und der Erfolg einer solchen Konferenz aber fraglich.

In den Tagen nach ihrer Freilassung betonte Aung San Suu Kyi immer wieder die Notwendigkeit einer „friedlichen Revolution“. Ebenso redet sie ihren Landsleuten ins Gewissen, sich nicht nur auf sie zu verlassen, denn ohne die Mithilfe des Volkes könne es keine Demokratie geben, Politik gehe jeden etwas an. Aung San Suu Kyi ist keine Heilsbringerin und macht dies auch immer wieder deutlich. Auch die Regierungen der EU und anderer westlicher Staaten sollten sich dies vergegenwärtigen. Aung San Suu Kyi ist eine bewundernswerte Oppositionspolitikerin, die in einem sehr schwierigen - noch immer vom Militär dominierten Umfeld – sehr vorsichtig agieren muss, ständig von Verhaftung bedroht. Entscheidend für ihren Erfolg wird sein, dass es ihr gelingt alle demokratischen Kräfte im Land gleichberechtigt in einen Dialog einzubinden.

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Jost Pachaly ist Direktor des Südostasien-Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Bangkok
Rainer Einzenberger ist Assistent des Direktors und Programmkoordinator des Myanmar/
Burma Programms

 

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